In ihrem ersten belletristischen Roman „Das Licht zwischen
den Schatten“ verknüpft Michaela Beck drei individuelle Schicksale mit der
Geschichte Deutschlands in den Jahren von 1919 bis 1989. Gemäß dem Titel schaut
sie auch auf einige unrühmliche Ereignisse der Vergangenheit, in denen sich
aber wie ein Silberstreif am Horizont ebenfalls verschiedene Formen von
Widerstand zeigten. Die Autorin stellt der Erzählung ein Gedicht voran, von dem
später ein oder zwei Sätze einen der fünf Teile des Buchs eröffnen. Dadurch
wurde ich neugierig auf den nächsten Abschnitt, denn darin wird angedeutet, worauf
im Folgenden der Fokus liegt. Es geht
darum, im Leben seinen Platz zu finden, geliebt zu werden als Kind oder
Partner, um Selbstverwirklichung und Reflexion.
Eine der drei Hauptfiguren ist Konrad, dem ich im ersten
Kapitel erstmalig im Jahr 1919 als Zehnjährigem begegnete. Gemeinsam mit seiner
Mutter und seinem jüngeren Bruder lebt er in Berlin in einer Hinterhofwohnung.
Sein Vater hat im ersten Weltkrieg sein Leben gelassen, während er seinen
Vorgesetzten gerettet hat. Der wohlhabende Gerettete nimmt die kleine Familie
auf und gibt der Mutter Arbeit. Später verliebt sich Konrad in eine der beiden
Töchter, die ihn dazu veranlasst, Medizin zu studieren.
Das nächste Kapitel schwenkt hin ins Jahr 1950. Zu dieser
Zeit lebt die elfjährige Brigitte mit ihren Eltern und dem älteren Bruder im
Dorf Mecklenburg und hängt durch die Beeinflussung eines Bekannten immer noch
dem alten nationalsozialistischem Gedankengut an. Im Laufe der Jahre wechselt
zwar ihre Gesinnung, jedoch nicht die Hartnäckigkeit mit der sie ihre Ansichten
verteidigt. Als letzten Protagonisten lernte ich den verwaisten André kennen,
der als Zehnjähriger 1976 in Ostberlin wohnt. Ein erfolgreicher ehemaliger
Olympionik im Kunstspringen hat ihn adoptiert und ist gleichzeitig sein Trainer.
Aber in seinen Gedanken blitzen immer wieder Gedanken an seine Kindheit auf
über die er nicht müde wird, Fragen zu stellen.
Das Leben der drei Hauptfiguren wird im Folgenden von
Michaela Beck kontinuierlich weiter betrachtet. Dabei springen die Kapitel
zwischen den Personen hin und her und nehmen jeweils einen die betreffende
Hauptfigur prägenden Lebensabschnitt ins Visier. Ich bemerkte als Leserin bald,
dass es Verzahnungen zwischen ihren Schicksalen geben muss. Dadurch entstand
eine hintergründige Spannung. Kleine eingestreute Hinweise fügten sich zum Ende
zu einem zusammenhängenden Bild. Bis dahin steuerte die Autorin ihre
Hauptfiguren über manche Höhen und Tiefen.
Während Konrad ein ruhiges Erscheinungsbild zeigt und sich
aufgrund seiner Unentschlossenheit gerne von anderen Versprechungen leiten
lässt, ist Brigitte ein trotziger Charakter, der viel zu oft unüberlegt handelt,
aber mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn ausgestattet ist. André dagegen
fühlt unverstanden und wird aufgerieben von seinen Zweifeln am System und
seiner Ohnmacht wirksam dagegen aufzubegehren.
Ich habe den Einfallsreichtum von Michaela Beck bewundert
und ihren Mut, auch vor der Einbindung großer Schlagzeilen der deutschen
Geschichte nicht zurückzuschrecken, sondern Konrad, Brigitte und André darin
authentisch agieren zu lassen. Der Umgang mit Juden und Behinderten im
Nationalsozialismus, die Frage nach der Mitschuld, der Mauerbau, Flucht in den
Westen, Sozialkritik terroristische Vereinigung, Hausbesetzung, Stasi und
Mauerfall sind nur größere Themen neben denen es noch viele weitere gibt.
Durchgehend beschreibt die Autorin dank bester Recherche
ihre Schauplätze. Konrad, Brigitte und André agieren in einem Umfeld, das ich
mir gut vorstellen konnte. Sie offenbart dem Lesenden die Gefühle der
Hauptfiguren und lässt ihn teilhaben daran, wie diese zu ihren Meinungen und
Entscheidungen finden. Kulturelle Gegebenheiten und geschichtliche Fakten lässt
sie mühelos in die Erzählung einfließen.
Der Roman „Licht zwischen den Schatten“ von Michaela Beck
besticht durch eine durchdachte Konstruktion des Lebens dreier Personen, das man
ab deren Kindheit bis hin zum Mauerfall begleitet. Deren Lebensweg ist nicht
nur miteinander, sondern auch mit der wechselhaften deutschen Geschichte
verbunden und zeigt, wie der Staat Einfluss auf unsere Geschicke hat und uns
Kinder unserer Zeit sein lässt. Das Buch hat einen angenehmen leicht zu
lesenden Schreibstil und hohen Unterhaltungswert, so dass ich es gerne weiterempfehle.