Die Suche nach dem verschwundenen wertvollen Teil einer
alten kartografischen Darstellung wirbelt das Leben von Sarah von
Richtershofen, der Protagonistin des Romans „Die Bücherjägerin“ von Elisabeth
Beer, ordentlich durcheinander. Sie restauriert Bücher und handelt mit
Antiquitäten, genauso wie ihre Tante Amalia es immer gemacht hat. Mit zehn
Jahren wurden sie und ihre jüngere Schwester Milena zu Waisen. Amalia nahm
beide damals bei sich auf und wurde ihnen zur Mutter.
Sarah trat später beruflich in die Fußstapfen ihrer Tante.
Für sie wird es zu einer emotionalen Herausforderung als Amalia plötzlich
stirbt. Einerseits waren die beiden ein eingespieltes Team, persönlich wie auch
beim An- und Verkauf der Antiquitäten. Andererseits wirkte Amalia beruhigend
auf Sarah ein, wenn dieser mal wieder in ihrem Umfeld alles zu viel wurde. Die
Protagonistin hat ihre Eigenarten, vor allem bereiten ihr soziale Interaktionen
Schwierigkeiten. Als der englische Bibliothekar Benjamin Ballantyne sie
aufsucht und ihr davon erzählt, dass Amalia ihn wegen einer alten Karte
kontaktiert hat, lässt sie sich darauf ein, ihm beim Auffinden derselben
behilflich zu sein.
Die Autorin hat ihrer Protagonistin einen interessanten,
weniger üblichen Beruf gegeben und mich auf die Tabula Peutingeriana, um die es
im Buch immer wieder geht, aufmerksam gemacht. Dazu vermittelte sie mir einiges
an Hintergrundwissen zu dieser Karte. Doch die Suche an sich drängt sich bei
der Geschichte nicht in den Vordergrund, sondern das bisherige Leben von Sarah
und ihr Umgang mit dem Tod ihrer Tante.
Die Hauptfigur erzählt das Geschehen in der Ich-Form. Um
einen Eindruck von ihren besonderen Wesenszügen zu erhalten, fügt Elisabeth
Beer mehrfach Kapitel ein, in denen die Handlung nicht fortgesetzt wird, sondern
Sarah beispielsweise Listen aufführt, in denen sie ihre Gedanken zu einem
bestimmten Thema festhält oder ihre Arbeitsweise erklärt. Immer wieder lässt die
Autorin die Protagonistin zurückschauen und dadurch erfuhr ich zunehmend mehr
über die Probleme, mit denen Sarah bereits in der Schule mit den
MitschülerInnen zurechtkommen musste. Auch in Liebesdingen entwickelte sie eine
eigene Art, um Nähe zu erfahren. Nachdem ihr Benjamin immer sympathischer wird,
nutzt sie ihre bisher gewonnenen Erfahrungen, um sein Verhalten ihr gegenüber
zu deuten.
Bei all ihren Sorgen weiß die Protagonistin jedoch, dass sie
sich nicht nur auf Amalia, sondern auch auf ihre Schwester verlassen kann, was
ihr Halt im Leben gibt. Amalia hat den Schwestern immer das Gefühl gegeben,
dass sich für jedes Problem eine Lösung bieten wird. Routinen erleichtern Sarah
den Tagesablauf. Sie denkt eher rational und löst Konflikte gerne dadurch,
indem sie ihren Gesprächspartner auf direktem Weg darauf anspricht, was einige
Male ihr Gegenüber verwundert, für mich als Leserin aber manchmal erheiternd
war.
Die Autorin lässt Sarah in einer Kölner Villa wohnen, die
ein passendes Ambiente bietet. Die dort lagernden Antiquitäten in Papierform
riefen mir den Duft alter Bücher in die Nase. Auf der Reise nach Frankreich, wohin
die Suche die Protagonistin führt, erhält sie Unterkunft bei einem Freund, der
in einem schlossartigen Gebäude lebt. Vor meinen Augen entstand eine friedvolle
Idylle. Der englische Landsitz, den sie später besucht, fügte sich in das
Ensemble markanter Orte gelungen ein.
Der Roman „Die Bücherjägerin“ von Elisabeth Beer erzählt von
der Suche nach einem verschwundenen Teil einer alten Landkarte. Die mir
sympathische Titelgeberin Sarah, die sich ihrer Einzigartigkeit bewusst ist, und
ihre bewegte Vergangenheit stehen dabei im Mittelpunkt. Die Restauratorin
entdeckt auf ihrem Weg, das verschollene Stück aufzustöbern, das, was für sie
wichtig im Leben ist. Gerne empfehle ich dieses einfühlsam und warmherzig
erzählte Buch weiter.