Rezension von Ingrid Eßer
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Im Burgenland, direkt an der Grenze zu Ungarn, liegt das
fiktive Örtchen Nincshof. Wohlüberlegt hat die Autorin Johanna Sebauer den
Haupthandlungsort ihrer Geschichte so genannt, denn „nincs“ bedeutet im
ungarischen „es gibt keins“. Die Verschwörung
dreier Bewohner will genau das erreichen, nämlich nichts Geringeres, als dass
das Dorf aus dem Gedächtnis der Welt verschwindet. Alten Legenden nach war das früher
so und brachte den Vorteil, dass sie staatlichen Verpflichtungen wie zum
Beispiel dem Zahlen von Steuern und der Wehrpflicht entgingen. Sie möchten
wieder frei in allen ihren Entscheidungen werden. Die große Herausforderung
stellen die heutigen sozialen Medien dar und ich war von Beginn an nicht nur
gespannt, wie sie ihr Ziel erreichen wollen, sondern natürlich auch, ob sie
erfolgreich sind.
Als erstes werben die Oblivisten, wie die Verschwörer sich
nennen, die bereits über achtzigjährige Erna für ihr Vorhaben an. Nebenher hat deren
Mitwirken den Effekt, dass sie einen Versammlungsort in ihrer Küche haben und
sich gerne von ihr mit leckeren Snacks versorgen lassen. Der Zuzug einer
Familie aus Wien trübt ihre Erfolge, denn mit deren Plan, einer Irrziegenzucht
Touristen anzulocken, stehen sie konträr dazu, das Dorf dem Vergessen anheim zu
geben.
Der Roman ist eine herrliche Komödie, die mit vielen
eigenartigen Ideen aufwartet zu denen Ernas nächtliche Besuche im Swimmingpool
der Nachbarn gehören, Pusztafeigen und deren Wirkung sowie jede Menge Einfälle
und deren Umsetzung durch die Oblivisten. Die Figuren sind liebevoll gestaltet,
voller Eigenleben und ausgestattet mit zahlreichen Macken. Zwischen der
amüsanten Geschichte schwingt das Thema des Heischens nach Aufmerksamkeit.
Viele versuchen in der Öffentlichkeit auf sich aufmerksam zu machen und
inszenieren sich entsprechend, wobei sie andere ungewollt ins Rampenlicht
rücken und ihre Entscheidungsfreiheit dabei ein Stück einschränken. Johanna
Sebauer weist dadurch darauf hin, dass dies eins der Dinge des Zuviels ist, die
neben zu viel Arbeit, zu viel Essen und zu wenig Zeit an unserer Gesundheit
knabbern.
Wahrheit, Legende und Lügen sind in Nincshof eng beieinander
angesiedelt und die Erzählungen über die Vergangenheit und die Ereignisse der
Gegenwart lassen sich nicht einfach zuordnen, was sehr zum Vergnügen des
Lesenden beiträgt. Ich habe das Buch sehr genossen und vergebe gerne eine
Leseempfehlung.