Rezension von Ingrid Eßer
Titel: Besser allein als in schlechter Gesellschaft:
Meine eigensinnige Tante
Autorin: Adriana Altaras
Erscheinungsdatum: 09.03.2023
Verlag: Kiepenheuer & Witsch (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783462004243
-------------------------------------------------------------------
„Besser allein als in schlechter Gesellschaft“ ist nicht nur
der Titel des Buchs von Adriana Altaras, sondern auch das Motto nach der ihre Teta
Jela in ihren letzten Jahren lebt. Ihre Tante heißt mit vollem Namen Jelka
Motta. Sie steht kurz vor ihrem hundertsten Geburtstag, als sie stürzt und
aufgrund ihrer Verletzung Pflege benötigt. Sie wird in einem Seniorenheim im
italienischen Mantua aufgenommen, in der Stadt, in der sie auch wohnt. Der
Lockdown in der Corona-Krise verhindert es, dass ihre in Berlin lebende Nichte
Adriana sie besucht. Es folgen lange Telefonate und irgendwann erklärt eine
Pflegerin der Tante die Technik des Skypens.
Die Autorin erzählt die Geschichte ihrer Teta Jela, mit dem
auch ein großer Teil ihres eigenen Lebens verbunden ist, aus zwei sich
abwechselnden Sichtweisen. Einerseits offenbarte sie mir als Leserin ihre
eigenen Gefühle bei den Kontakten zu ihrer Tante, andererseits wechselt Adriana
Altaras die Perspektive, versetzt sich in Jelka Motta und lässt sie als
Ich-Erzähler berichten. Durch die Erzählform erfuhr ich einiges über den Alltag
der betagten Tante aus nächster Nähe. Deren Erinnerungen blicken zurück auf ein
bewegtes Leben. Vor allem ist es berührend, dass sie als Jüdin ein
Konzentrationslager im Zweiten Weltkrieg überlebt hat. Als ihr Schwager, der
Vater der Autorin, in den 1960er Jahren aus Zagreb fliehen muss und ihre
Schwester dort noch zurückgehalten wird, nimmt sie die vierjährige Adriana bei
sich in Italien auf. Die beiden entwickeln ein inniges Verhältnis zueinander.
Aus der Ferne organisiert die Autorin, was immer sich ihre
Tante wünscht. Gleichzeitig schenkt sie ihr uneingeschränkt Vertrauen und
erzählt ihr die eigenen Probleme. Jelka Motta war eine Frau mit eigenen
Ansichten, die sich bis ins hohe Alter hinein ein selbstbestimmtes Leben zu
erhalten gesucht hat. Die Autorin teilt mit den Lesenden auch ihre Emotionen
aufgrund der Trennung von ihrem Mann, aber sie lässt auch ihre Teta Jele darüber
zu Wort kommen, wen diese geliebt und besonders gernhatte. Die Tante war der
Ansicht, dass ihre selbstgemachte Pasta über viele Sorgen hinweghelfen konnte.
Obwohl im Buch einige bewegende Ereignisse geschildert werden, versteht Adriana
Altaras ihnen die Schwere zu nehmen, indem sie ihnen bewusst einige amüsante
Situationen entgegensetzt.
Das Buch „Besser allein als schlechter Gesellschaft“ ist ein warmherziges, familiäres Portrait der in Italien lebenden, in Jugoslawien aufgewachsenen Jelka Motta, der Tante der Autorin Adriana Altaras. Die Geschichte zeigt den respektvollen, hilfsbereiten Umgang zwischen der fast Hundertjährigen und ihrer etwa vierzig Jahre jüngeren Nichte. Das Verständnis füreinander lässt sie gemeinsam lachen und wehmütig sein, aber niemals aufgeben. Gerne empfehle ich das Buch uneingeschränkt weiter.