Rezension von Ingrid Eßer
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Marianne Haas, die Mutter von Wolf Haas wohnt seit einigen
Jahren in einem Seniorenheim. Sie ist 95 Jahre alt und, was ihr Sohn bei einem
seiner Besuche im Jahr 2018 noch nicht weiß, wird nur noch drei Tage leben.
Während sie ständig über die viele Arbeit, die kein Geld zum Sparen einbrachte,
gestöhnt hat, erklärt sie ihm nun, dass es ihr gutgeht. Nach ihrem Tod ist es
der Wunsch des Autors, dass er in den zwei Tagen bis zu ihrem Begräbnis ihr
Leben nachvollzieht, um damit abzuschließen. Seine Erinnerungen hält er in dem
Buch „Eigentum“ fest. Der Titel ergibt sich dadurch, dass die wenigen
Quadratmeter der Grabstätte der erste eigene Besitz von Marianne Haas sein
werden.
Anhand von memorierten Schilderungen seiner Mutter
rekonstruiert Wolf Hass, wie Kindheit, Jugend, Ausbildung und frühe Ehejahre seiner
Mutter sich ausgestaltet haben. Er lässt sie selbst als Ich-Erzählerin
auftreten, wobei mancher Gedankengang nicht zu Ende läuft, sondern abbricht und
neu ansetzt, Schleifen dreht oder in Wiederholung geht. Meine Vorstellung von ihr wurde dadurch klarer. Mundart hat er nur angedeutet, was dem Lesen zugutekommt. Marianne Haas war eine kluge
Frau, die zum Arbeiten in einem Hotel in die Schweiz zog und einen großen Teil
ihres Lohns nach Hause schickte. Die Gelegenheitsjobs ihres Mannes erlaubten es
kaum, etwas zur Seite zu legen. Beim Lesen hatte ich das Gefühl, dass der Autor
in seiner Kindheit wohlbehütet war.
Seine Mutter hatte bestimmte Eigenarten, die Wolf Haas nicht
immer schätzte. Seine Schilderungen riefen bei mir eigene Erinnerungen wach.
Das Verhältnis von Mutter und Sohn wirkt stellenweise distanziert, was aber dem
früheren Erziehungsstil entspricht, der oft mit wenig Zärtlichkeiten auskam. Obwohl
der Autor über seinen Sprachgebrauch Humor in seine Erzählung einbringt,
überwiegen doch die schweren Zeiten der Mutter, die Krieg und Inflation
erlebte.
Der Roman „Eigentum“ beschränkt sich auf die Rekonstruktion
des Lebens seiner Mutter durch Wolf Haas, denn durch die späte
Auseinandersetzung mit deren Vergangenheit bietet sich ihm keine Möglichkeit,
die Mutter nach weiteren Details zu befragen. Bereits nach 157 Seiten ist das
Buch ausgelesen. Ich hätte gerne noch weitere Einzelheiten erfahren, aber
andererseits kommt die kurze Form dem Schreibstil des Autors entgegen. Gerne
vergebe ich eine Leseempfehlung für diese Hommage von Wolf Haas an seine
Mutter.