„Krummes Holz“ von Julja Linhof ist ein Roman voller dunkler
Erinnerungen dreier junger Menschen auf einem alten Gehöft, das irgendwo im
Ländlichen im Dreieck zwischen Unna, Werl und Iserlohn liegt. Gleichzeitig haben
die Protagonist(inn)en die Hoffnung auf eine aussichtsreichere Zukunft nicht
aufgegeben. Der Titel ist gleichnamig mit der Zufahrt zum Hof, nimmt nach
Aussage der Autorin aber auch Bezug zu einem berühmten Zitat von Immanuel Kant.
Der Philosoph unterstellte dem Menschen, dass dieser wider seines Verstands, nicht
immer das Gute tut. In der Geschichte, die in den 1980er Jahren spielt, agieren
einige Figuren zum Leidwesen anderer gefühlskalt.
Einer der drei Protagonisten ist der Ich-Erzähler Georg, der
so wie sein Vater heißt. Er ist 19 Jahre alt und kehrt in den Sommerferien nach
fünf Jahren im weit entfernten Internat auf das Gehöft zurück. Der letzte
Hofverwalter, der sudetendeutsche Vater des weiteren Protagonisten Leander, hat
ihm den Rufnamen Jirka gegeben, was in seiner Muttersprache gleichbedeutend mit
Georg ist und von den anderen Hofbewohner übernommen wurde. Seine Mutter
verstarb, als er noch klein war.
Während der Jahre auf dem Internat haben sich Jirkas Vater, seine
Schwester Malene und Leander um das Anwesen gekümmert. Leander ist einige Jahre
älter und hauptberuflich Krankenpfleger in der nahen Heilanstalt. Nach Abschluss
der Schule hat Malene eine auswärtige landwirtschaftliche Ausbildung gemacht, währenddessen
sie nur am Wochenende heimkehrte. Dennoch gesteht der Vater ihr den Hof als
Erbe nicht zu, aber auch nicht seinem Sohn. Als Jirka heimkehrt, fehlt der
Vater unerklärt.
Jirkas Gefühle sind gemischt, als er nach Hause kommt. Nach
vielen Jahren ohne persönlichen Kontakt zu denen seinen daheim, ist er sich
nicht sicher, welche Stimmung ihn erwartet. Zuhause ist niemand ans Telefon
gegangen, als er versucht hat, seinen Besuch anzukündigen. Er wird mit
Zurückhaltung empfangen. Malene und Leander auf der einen Seite und Jirka als
ungebetener Gast scheinen abzuwarten, wer den ersten Schritt aufeinander zu
macht. Zwischen ihnen sind die Erinnerungen an ihre gemeinsamen Jahre auf dem
Hof fast greifbar und Ungesagtes zu spüren.
Mit jeder Beobachtung, die Jirka in seinem Umfeld macht, kehren
unerwünschte Erinnerungen an seine Kindheit wieder. Der Vater hat nicht nur
schwere Arbeit geleistet, sondern auch mit Strenge und Härte durchgegriffen,
teils unter Gewaltanwendung, um seine Ansichten durchzusetzen. Jirka suchte
Geborgenheit und reagierte auf kleinste Zuneigungsbekundungen. Später versucht er
zu deuten, ob es Liebe war und immer noch ist. Nicht nur für Jirka, sondern
auch für mich als Leserin war das Miteinander von Leander und Malene schwierig
einzuschätzen. Ich fragte mich beim Lesen, ob mehr als Sympathie und Wohlwollen
zwischen den beiden liegt. Nach früheren Geschehnissen, die der Protagonist
stückchenweise mit dem Lesenden teilt, ist das Verhältnis von Jirka zu Leander
angespannt. Von Malene schlägt Jirka Unwillen entgegen. Von Beginn an macht sie
ihm deutlich, dass sie nicht bereit ist, ihn auf ihre Kosten zu beherbergen.
Nur durch seine Hartnäckigkeit, auf dem Gehöft zu bleiben, kann er Vertrauen
gewinnen.
Julja Linhof erzählt im eigenen Sprachstil mit schönen,
poetisch anmutenden Umschreibungen in ihrem Debütroman „Krummes Holz“ von der
Suche dreier junger Menschen, deren Kindheit von Kaltherzigkeit geprägt war.
Sie streben nach einer Verankerung im Leben, die ihnen Sinn gibt und ihr Herz
wärmt. Für diesen auf die zwischenmenschlichen Beziehungen fokussierenden Roman
vergebe ich sehr gerne eine Leseempfehlung.