Samstag, 17. Februar 2024

Rezension: Krummes Holz von Julja Linhof

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Krummes Holz
Autorin: Julja Linhof
Erscheinungsdatum: 17.02.2024
Verlag: Klett-Cotta (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783608966091
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„Krummes Holz“ von Julja Linhof ist ein Roman voller dunkler Erinnerungen dreier junger Menschen auf einem alten Gehöft, das irgendwo im Ländlichen im Dreieck zwischen Unna, Werl und Iserlohn liegt. Gleichzeitig haben die Protagonist(inn)en die Hoffnung auf eine aussichtsreichere Zukunft nicht aufgegeben. Der Titel ist gleichnamig mit der Zufahrt zum Hof, nimmt nach Aussage der Autorin aber auch Bezug zu einem berühmten Zitat von Immanuel Kant. Der Philosoph unterstellte dem Menschen, dass dieser wider seines Verstands, nicht immer das Gute tut. In der Geschichte, die in den 1980er Jahren spielt, agieren einige Figuren zum Leidwesen anderer gefühlskalt.

Einer der drei Protagonisten ist der Ich-Erzähler Georg, der so wie sein Vater heißt. Er ist 19 Jahre alt und kehrt in den Sommerferien nach fünf Jahren im weit entfernten Internat auf das Gehöft zurück. Der letzte Hofverwalter, der sudetendeutsche Vater des weiteren Protagonisten Leander, hat ihm den Rufnamen Jirka gegeben, was in seiner Muttersprache gleichbedeutend mit Georg ist und von den anderen Hofbewohner übernommen wurde. Seine Mutter verstarb, als er noch klein war.

Während der Jahre auf dem Internat haben sich Jirkas Vater, seine Schwester Malene und Leander um das Anwesen gekümmert. Leander ist einige Jahre älter und hauptberuflich Krankenpfleger in der nahen Heilanstalt. Nach Abschluss der Schule hat Malene eine auswärtige landwirtschaftliche Ausbildung gemacht, währenddessen sie nur am Wochenende heimkehrte. Dennoch gesteht der Vater ihr den Hof als Erbe nicht zu, aber auch nicht seinem Sohn. Als Jirka heimkehrt, fehlt der Vater unerklärt.

Jirkas Gefühle sind gemischt, als er nach Hause kommt. Nach vielen Jahren ohne persönlichen Kontakt zu denen seinen daheim, ist er sich nicht sicher, welche Stimmung ihn erwartet. Zuhause ist niemand ans Telefon gegangen, als er versucht hat, seinen Besuch anzukündigen. Er wird mit Zurückhaltung empfangen. Malene und Leander auf der einen Seite und Jirka als ungebetener Gast scheinen abzuwarten, wer den ersten Schritt aufeinander zu macht. Zwischen ihnen sind die Erinnerungen an ihre gemeinsamen Jahre auf dem Hof fast greifbar und Ungesagtes zu spüren.

Mit jeder Beobachtung, die Jirka in seinem Umfeld macht, kehren unerwünschte Erinnerungen an seine Kindheit wieder. Der Vater hat nicht nur schwere Arbeit geleistet, sondern auch mit Strenge und Härte durchgegriffen, teils unter Gewaltanwendung, um seine Ansichten durchzusetzen. Jirka suchte Geborgenheit und reagierte auf kleinste Zuneigungsbekundungen. Später versucht er zu deuten, ob es Liebe war und immer noch ist. Nicht nur für Jirka, sondern auch für mich als Leserin war das Miteinander von Leander und Malene schwierig einzuschätzen. Ich fragte mich beim Lesen, ob mehr als Sympathie und Wohlwollen zwischen den beiden liegt. Nach früheren Geschehnissen, die der Protagonist stückchenweise mit dem Lesenden teilt, ist das Verhältnis von Jirka zu Leander angespannt. Von Malene schlägt Jirka Unwillen entgegen. Von Beginn an macht sie ihm deutlich, dass sie nicht bereit ist, ihn auf ihre Kosten zu beherbergen. Nur durch seine Hartnäckigkeit, auf dem Gehöft zu bleiben, kann er Vertrauen gewinnen.

Julja Linhof erzählt im eigenen Sprachstil mit schönen, poetisch anmutenden Umschreibungen in ihrem Debütroman „Krummes Holz“ von der Suche dreier junger Menschen, deren Kindheit von Kaltherzigkeit geprägt war. Sie streben nach einer Verankerung im Leben, die ihnen Sinn gibt und ihr Herz wärmt. Für diesen auf die zwischenmenschlichen Beziehungen fokussierenden Roman vergebe ich sehr gerne eine Leseempfehlung.


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