In ihrem Roman „Leuchtfeuer“ erzählt die US-Amerikanerin
Dani Shapiro von dem Unfall der 17-jährigen Sarah und dem 15-jährigen Theo Wilf,
der ihr Leben im Sommer des Jahr 1985 nachwirkend verändert. Das Unglück
geschieht vor dem Haus der Eltern in der Vorstadt von New York City. Der Vater
ist Arzt und eilt zu Hilfe, wobei er spontan handelt, was vermutlich unbedachte
Konsequenzen nach sich zieht. Die Familie versucht zum Alltag zurückzukehren,
doch jeder von ihnen weiß um seine Schuld, die nie vergehen wird.
Die Geschichte ist nicht chronologisch erzählt, sondern wechselt
zwischen den Jahren 1985, 2010, 1999, 2020 und 2014. Am Ende des Buchs gibt es
ein Kapitel im Jahr 1970, als die Familie Wilf in ihr Haus in der Vorstadt
einzieht. Erst viele Jahre später bekommen sie mit der Familie Shenkman neue
Nachbarn im gegenüberliegenden Haus. Sie ahnen beim Einzug noch nicht, wie sich
ihre Lebenswege eines Tages kreuzen werden, denn als bei der Nachbarin am Ende
des Jahrs 1999 die Wehen einsetzen, eilt Dr. Wilf ihr zur Hilfe. Er wird für
den Sohn Waldo zum Geburtshelfer. Zu ihm wird er einige Jahre später eine
besondere Beziehung entwickeln. Etwa ein Jahrzehnt später wird das Schicksal
die beiden Nachbarsfamilien noch weiter miteinander verknüpfen.
Keines der Mitglieder der Familie Wilf kann den Unfall
vergessen, obwohl die Eltern von Sarah und Theo versuchen, ihren Kindern eine gute
Zukunft zu ermöglichen. Sarah studiert Film und Englisch und hat als
Produzentin Erfolg. Sie heiratet und bekommt Zwillinge, doch innerlich ist sie
nicht ausgeglichen. Sie drängt dazu, körperlichen Schmerz zu erfahren und
verbirgt ihr Verlangen vor ihrer Familie. Theo bricht als Jugendlicher aus dem
behüteten Elternhaus aus, verschwindet heimlich und begibt sich auf die Suche
nach dem, was ihn erfüllen könnte. Seine Eltern freuen sich darüber, dass er sich
nach einer Selbstfindungsphase als Koch selbständig macht.
Die Eltern von Waldo sind erfolgreich in ihren Berufen.
Waldos Vater bietet seinem Sohn all das, was er sich als Kind gewünscht hat. Er
kann nicht verstehen, dass Waldo in Bezug auf Beziehungen viel empfindsamer ist
als er selbst und ein großes Faible für Astronomie entwickelt. Waldo weiß alles
über den Weltraum, Planeten und Sterne. Er besitzt eine Observatoriums-App. Die
Beschäftigung mit der Software schafft für ihn einen gedanklichen Rückzugsort
vor den Ansprüchen, die seine Eltern und die Schule an ihn stellen.
Das Springen zwischen den verschiedenen Handlungszeitpunkten
gestaltet den Roman interessant. Was unmittelbar nach dem Unfall passierte,
hält die Autorin noch viele Seiten lang zurück. Es geschieht noch eine weiteres
tragisches Ereignis, bei dem Dani Shapiro ebenfalls die Szene stückchenweise
abwickelt, was nochmals zu einer Steigerung der latent vorhandenen Spannung
führte. Die Erzählung berührt deshalb besonders, weil sie von Familien erzählt,
wie es sie überall geben könnte und in die man sich als Lesende(r) gut
einfühlen kann.
Dani Shapiro zeigt in ihrem Roman „Leuchtfeuer“, wie
Entscheidungen zu ungeahnt weitreichenden Folgen führen können. Gerne vergebe
ich eine Leseempfehlung für diese faszinierende, bewegende Geschichte, die
nachhallt.