Liebe Patno,
nachdem
die Geschichte einige Zeit im Jahr 1984 verharrte, weil die Ereignisse den
Schwestern und William in wesentlichem Maße zusetzten, eilen die Jahre zu Beginn
des dritten Leseabschnitts nur so dahin. Der erste Satz des neuen Abschnitts
traf mich als Leserin sofort ins Herz. Darin sagt Julia ihrer fünfjährigen
Tochter, dass ihr Vater verstorben ist. In diesem Moment wurde mir Julia
unsympathisch, was sich in der Folgezeit weiter verstärkte. Wie ist es dir
dabei gegangen, als du gelesen hast, dass Julia für sich und ihre Tochter
weiteren Kontakt zur Familie ablehnt?
Liebe Ingrid,
um
ehrlich zu sein, mit Julia habe ich von Anfang an gehadert. Sie ist wie ein
Schweizer Uhrwerk. Sie geht unbeirrt ihren Weg ohne Rücksicht auf Verluste.
Julia hat beschlossen, den Kontakt zu ihrer Familie abzulehnen und dann gilt
das eben auch für ihre Tochter. Ihre Härte und Unnachgiebigkeit kennen keine
Grenzen. Auch wenn das bedeutet, den Vater ihrer Tochter für tot zu erklären.
Aber da Alice ihrem Vater sehr ähnlich sieht, wird Julia jeden Tag an seine
Existenz erinnert. Alice ist mir ans Harz gewachsen. Sie ist eine interessante
Mischung aus Williams und Julias Charakter. Ihre Darstellung fand ich besonders
gelungen. Wie ist es Dir mit Alice gegangen. Mochtest Du sie?
Ich fand es klasse, dass die Autorin Alice eine zentrale Rolle gegeben hat, denn die vier Schicksale sind nun einmal besonders eng miteinander verbunden. Mir persönlich haben die Informationen über die Randfiguren ausgereicht. Nein, ich hätte mir keine weitere Sichtweite gewünscht. Wie hast Du die tragische Wendung in der Geschichte empfunden? Damit hatte ich nicht gerechnet, aber es hat gut gepasst. Die Entwicklung von William fand ich auch gut dargestellt. Fandest Du William sympathisch?
Die Wende hatte ich so nicht kommen sehen. Allerdings hatte ich mir schon gedacht, dass Julia und William keine ideale Ehe führen werden, dazu lag der von Julia gesetzte Maßstab zu hoch. William hat das Trauma seiner Kindheit nie überwunden, insofern habe ich sein Verhalten zwar nicht gutgeheißen, aber ihn dafür auch nicht verurteilt.
Ann Napolitano hat in ihrem Roman die verschiedensten Familienkonstruktionen eingebracht und auch die unterschiedlichen Erziehungsstile von Rose, Julia und Cecelia. Ich hätte nicht gedacht, dass Julia sich so verkrampft zeigt. Offensichtlich hat sie in New York für sich selbst Vergnügen gefunden. Patno, denkst du, dass sie sich dennoch einsam fühlte und darum ihre Tochter dauerhaft an sich binden wollte? Cecelias Art mit Izzy umzugehen, fand ich dagegen cool. Ungewöhnlich fand ich Emelines Wunsch nach Pflegekindern. Ich hätte viel zu sehr mein Herz an die Kleinen gegeben und sie vermutlich nicht mehr hergeben wollen.
Julias Verhalten habe ich tatsächlich geahnt. Es hat zu ihrer Charakterdarstellung gepasst. Ich denke schon, dass der Ausweg nach New York gut in ihren Plan gepasst hat. Nach außen hin gibt sie sich stark und vergnügt, aber innerlich haben ihr die Schwestern bestimmt sehr gefehlt. Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie einsam war. Mit Sicherheit hat ihr Silvie jeden Tag gefehlt. Da ist es nur logisch, sich an Alice als Rettungsanker zu klammern. Schon nach dem ersten Leseabschnitt war Cecelia mein Lieblingscharakter und das hat sich durch das Buch durchgezogen. Die Nummer mit Emelie und den Pflegekindern fand ich merkwürdig. Besser hätte ich es gefunden, wenn sie ein Kind zur Pflege genommen oder adoptiert hätten.
Ann Napolitano erklärt in ihrer Danksagung mehr oder weniger, wie die Geschichte entstanden ist. Dennoch frage ich mich, welche ähnlichen Dramen sie selbst in ihrer Familie erlebt hat, um die Gefühle der Personen so nachvollziehbar wiedergeben zu können. Zum Schluss hätte ich gerne noch mehr über die nächsten Schritte von William und Alice erfahren, aber vielleicht gibt es irgendwann eine Fortsetzung. Für mich ist der Roman trotz ein paar kleiner Längen eine Leseempfehlung wert.
Hat
nicht jeder von uns sein Pölsterchen zu tragen? Ich denke, Ann Napolitano hat
sich in ihre Figuren sehr intensiv hineinversetzt und sicher spielt da auch die
eine oder andere persönliche Erfahrung eine Rolle.
Für
mich klingt der Roman in sich abgeschlossen. Ich glaube, es hat mir ausgereicht
zu sehen, dass sich Vater und Tochter Stück für Stück annähern. Eine
Fortsetzung kann ich mir nicht so richtig vorstellen.
Was
die Leseempfehlung betrifft, bin ich ganz Deiner Meinung. Ein toller Roman, der
Denkanstöße bietet und den anspruchsvollen Leser sucht.
Liebe Ingrid, nun sind wir am Ende unseres Buddyreads angekommen. Es hat Spaß gemacht, mich mit Dir gemeinsam zu lesen. Sollten wir bei Gelegenheit wiederholen.
Liebe Patno, vielen Dank, dass du meine
Lesepartnerin warst und mir mein erstes Buddyread ermöglicht hast. Es war eine
interessante Erfahrung. Vielleicht finden wir uns wieder einmal zum Lesen und
Austauschen zusammen.