Rezension von Ingrid Eßer
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Ein „Gruß aus der Küche“ ist in der französischen Kochkunst
gebräuchlich und gibt dem gleichlautenden Roman von Ingrid Noll den Titel, allerdings
ist die 40-jährige Köchin Irma als eine der Protagonist(innen) tief in ihrer
deutschen Heimat verwurzelt. Auf mich als Leserin wirkte sie nicht so brav wie
die Porträtierte auf dem Cover des Buchs. In ihrem Restaurant „Aubergine“, in
dem sie ausschließlich vegetarische und vegane Gerichte anbietet, ist sie
tagsüber in einem Outfit anzutreffen, das dem Namen ihres Gasthauses alle Ehre
macht. Obwohl sie eine soziale Ader hat, versteht sie es, ihre Ansichten und
Forderungen durchzusetzen.
Neben Irma nimmt die Autorin auch Josch, Lucy und Vinzent in
den Fokus der Kapitel. Alle erzählen aus der Ich-Perspektive. Josch ist Kellner.
Von Größe und Umfang her könnten er und Irma kaum verschiedener sein, doch sie
mögen einander. Irma ist von seinen administrativen Kenntnissen abhängig, aber
auch eifersüchtig, wenn er anderen Frauen mehr als schöne Augen macht. Die schusselige
und gefühlsgesteuerte 17-jährige Lucy hat die Schule abgebrochen und probiert sich
im Restaurant in einem Beruf aus, während der über 80 Jahre alte Vinzent,
seines Zeichens Doktor der Altertumskunde, einen Zeitvertreib in der Küche beim
Gemüseschneiden sucht. Außerdem nimmt Hilfsköchin Nicole, Irmas gute Freundin
seit Kindertagen, eine größere Rolle in der Geschichte ein. Im Sprachstil zeigt
die Autorin sich diesmal gestaltungsreich und firm mit eingestreutem Denglisch,
Anglizismen und antiquierten Begriffen von Vinzent.
Ingrid Noll ist bekannt für ihre Romane, in denen sie mit Witz
und Verve einen raffiniert ausgeführten Mordfall beschreibt. Beim Lesen dachte
ich einige Male, dass nun bald jemand das Zeitliche segnen wird. Ob und wann es
dazu kommt, verrate ich nicht, aber wie gewohnt ist die Geschichte in einem
lakonisch sarkastischen Stil geschrieben. Die Protagonist(innen) lieben und
schlagen sich im übertragenen Sinn. Aus Ärger wird Rachsucht und auf einen
ersten Streich folgt ein weiterer. Es gibt in der Regel immer eine Person mit
Verständnis für das Opfer des Pranks, so dass sich Bündnisse ergeben, die sich
wieder auflösen und neuformieren. Nicht immer hat der Spaß die gewünschte
Wirkung. Daraus resultieren einige unerwartete Wendungen und zum Ende hin gibt
es noch eine Überraschung, die ich so nicht erwartet hätte. Eine hintergründige
Spannung ist durchgehend vorhanden, bietet aber keinen Höhepunkt.
„Gruß aus der Küche“ von Ingrid Noll ist ein schalkhafter Roman
mit Biss, der zeigt, wie vielseitig ein Amuse Bouche sein kann. Locker-flockig
vereint die Autorin in der Geschichte die Lebenswelt von Jung und Alt, deren
gemeinsames Anliegen es ist, die Gäste der Gaststätte mit vegetarischen
Gerichten zufrieden zu stellen. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.