Der Autor Michael Lentz bedauert, dass sein Vater früher wenig
von seiner Kindheit erzählt hat. In seinem Roman „Heimwärts“ widmet er sich den
eigenen Erinnerungen an die Zeit im Elternhaus in der rheinischen Kleinstadt Düren.
Seit vielen Jahren lebt er in Berlin und erzählt inzwischen auch seinem Sohn
von seinen jungen Jahren.
Der Vater des Autors saß der Stadtverwaltung vor und war
dadurch eine öffentliche Person. Manches Mal gelang es ihm nicht, seinen Beruf
an der Haustür abzustreifen. Er war streng und zur Durchsetzung seines Willens
kam es vor, dass er seinen Sohn zügelte, ohne dass seine Frau eingriff. Die
Mutter des Autors nahm die klassische Hausfrauenrolle ein, mit der sie, nach
Meinung ihres Sohns, nicht zufrieden war.
Doch nicht die Eltern von Michael Lentz stehen in seinem
Roman im Mittelpunkt, sondern das Verhalten des Autors als Kind und wie seine
Eltern darauf reagiert haben. Es ist eine lose Sammlung von Gedanken, die er in
Kapitel zusammenfasst, welche er mit jeweils einem Wort betitelt. Er erinnert
sich beispielsweise an die Truhe im Flur des Elternhauses, ans Lernen, eine
Spieluhr, seine Ferien und Osterfeste.
Michael Lentz beschreibt feinsinnig nicht nur die Situationen,
die ihm in den Sinn kommen, sondern auch, was ihn darin innerlich bewegte und
warum er wie handelte. Er lässt den Lesenden tief in seine reiche
Vorstellungswelt als Kind schauen und erzählt von seinen Ängsten, seinen
Problemen, seinen Träumen und Wunschvorstellungen. Immer wieder versinkt er in
seinen eigenen Kosmos, der ihn bis heute begleitet und einzigartige Basis für
seine Texte ist. Der Autor gibt zu bedenken, dass er seine Erinnerungen aus
heutiger Sicht wiedergibt und damals auch aus anderen Gründen motiviert gewesen
sein könnte.
Immer wieder wechselt er unvermittelt die Perspektive und gibt
seinem Sohn Worte ein, die dieser über die eigenen Kindheitstage der letzten
Jahre erzählt. Es zeigt sich, dass er sich als Vater so verhält, wie er es sich
von seinen Eltern für sich gewünscht hätte. Die Übergänge zwischen den
Ansichten sind fließend und werden meist mit einem Verweis auf die inzwischen
vergangenen Jahre angekündigt. Manchmal bemerkte ich allerdings die Veränderung
erst nach mehreren Sätzen. Der Vergleich der Welt eines Kinds von heute und
gestern fand ich interessant, denn die jeweiligen Eigenheiten in der Erziehung sind
zu erkennen.
Da ich im gleichen Alter wie der Autor bin, habe ich mich
gerne gemeinsam mit ihm zurückerinnert. Weil meine Heimatstadt nur 50 km
westlich von Düren liegt und ich die Örtlichkeiten kenne, bin ich die Wege
mitgegangen und habe mich ebenfalls am Erkennen der mir bekannten regionaler Besonderheiten
erfreut, wie zum Beispiel die Sprichworte der Mutter oder die erwähnten Speisen.
Im Roman „Heimwärts“ denkt Michael Lentz an seine Kindheit zurück
und nimmt den Lesenden mit zu seinen Erinnerungen an ein Alltagsleben zwischen
der Öffentlichkeit des Vaters, der Heimat schaffenden Mutter, dem Verankert
sein zwischen den Geschwistern und seinem reichen Innenleben mit Furcht,
Respekt und Erlebnishunger. Er findet durch seinen Sohn den Vergleich mit der
Gegenwart. Gerne bin ich ihm in die Vergangenheit gefolgt und empfehle das Buch
weiter.