Das Buch „Wo geht das Licht hin, wenn der Tag vergangen ist“
von Nadine Olonetzky, lässt sich nur schwer einem Genre zuordnen. Die Autorin
geht darin auf die Suche nach Spuren ihres Vaters und ihres Großvaters, deren
Verfolgung als Juden bereits vor dem Zweiten Weltkrieg begann. Es ist eine
Annäherung an die eigene Familiengeschichte, die unvollständig bleibt, weil
sich viele Fragen nicht mehr klären lassen. Bilder, die der Vater als
leidenschaftlicher Fotograf gemacht hat, halten viele Momente der Familie im
Bild fest, zeigen aber nicht dessen Kindheit und Jugend. Nadine Olonetzky wurde
bei Fragen nach dessen Vergangenheit immer vom Vater auf Antworten zu einem
späteren Zeitraum vertröstet. Sie besitzt lediglich ein kleines Foto von ihm
als Kind, das auf dem Cover des Buchs abgebildet ist. Mit fünfzehn hat er ihr
auf einer Parkbank schließlich aus seinem Leben erzählt.
Leider sind ihr nicht mehr alle Details gegenwärtig, als sie
sich Jahre später darum bemüht, für ihren Großvater einen Stolperstein setzen
zu lassen. Um Details aus dessen Vergangenheit ans Licht zu bringen, fordert
sie Dokumente bei entsprechenden Behörden an. Sie stellt fest, dass neben einem
Stein für den Großvater ebenfalls einer für ihren Vater liegen sollte. In der
Folgezeit arbeitet sie sich durch Unterlagen, die in ernstem Stil verfasst sind
und von denen im Buch reichlich zitiert wird. Beim Studium der Dokumente
bleiben Unsicherheiten zurück. Manchmal liest sie Angaben, die nicht mit denen
übereinstimmen, was ihr Vater erzählt hat. Namen sind in verschiedenen Formen
wiedergegeben und Daten passen nicht zueinander.
In ihr wächst der Wunsch, sich selbst auf Reisen an einigen, für den Großvater bedeutsamen Orten, ein eigenes Bild zu verschaffen. Das von ihr Aufgeschriebene beinhaltet nicht nur die Vergangenheit der Familie der Autorin, sondern ist auch eine bewegende Geschichte der Judenverfolgung, aufgezeigt an Einzelschicksalen. Immer wieder hält die Autorin inne und erzählt vom Erwachen, Blühen und Vergehen der Natur, die sie in ihrem Garten beobachtet, von Verwurzelungen und Änderungen der Flora über Jahre hinweg. Es scheint so, als ob sie damit nicht nur dem Lesenden Gelegenheiten geben möchte, das Geschriebene zu verarbeiten, sondern sich ständig daran zu fokussieren, wie vergänglich Leben ist. Das Buch ist, trotz vieler offener Fragen eine Reminiszenz für die Menschen auf den vom Vater hinterlassenen Fotos und den in den Dokumenten enthaltenen Namen. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung an diejenigen, die sich für Erinnerungskultur interessieren.