„Hey guten Morgen, wie geht es dir?“ schreibt Juno mitten in
der Nacht den Love-Scammern auf ihren Social Media-Kanälen, die Kontakt zu ihr
suchen. Die Phrase ist gleichfalls der Titel des Romans von Martina Hefter,
dessen Protagonistin Juno ist. Das Cover zeigt ein Gemälde von Gavin Hamilton
mit dem Titel „Juno und Jupiter“. In Anlehnung daran benennt die Autorin den
Ehemann von Juno ebenfalls nach dem römischen Wettergott.
Juno ist seit vielen Jahren mit Jupiter verheiratet, der an
einer unheilbaren Krankheit leidet, die ihn zunehmend schwächt. Infolgedessen
schläft er in der kleinen Mietwohnung in einem Pflegebett im Schlafzimmer und
Juno im Wohnzimmer. Weil sie Schlafprobleme hat, nutzt sie die Zeit dazu,
offensichtlichen Love-Scammern zurückzuschreiben und ihnen von einem erfundenen
Alltag zu erzählen. Hier kann die Performancekünstlerin, die sich ständig und
überall um ihren Mann Sorgen macht, alles sein und vorgeben, überall auf der
Welt zu leben. Eines Tages reißt die Verbindung zu einem der Betrüger nicht ab,
der ihre Lügen durchschaut.
Juno nutzt das Wenige, das sie vom Love-Scammer über seinen Alltag
erfährt und für wahr hält, um sich im Internet über die gesellschaftlichen
Bedingungen zu informieren, in denen er lebt. Sie besorgt sich seriöse
Dokumentationen, um die Gründe zu erfahren, warum immer wieder Opfer auf die
Betrugsmasche hereinfallen. Die Schwindeleien sind nicht nur erschreckend,
sondern es ist gleichzeitig bewegend davon zu erfahren, in welchen maroden
Verhältnissen die Schwindler teils leben.
Die Autorin selbst ist wie ihre Protagonistin Performerin.
Daher wirken die Beschreibungen von Junos beruflichen Tätigkeiten authentisch.
Ihre Leidenschaft, auf einer Bühne zu stehen, und der Traum, erfolgreich zu
sein, ist nachvollziehbar. Doch im Gegengewicht dazu stehen die Ängste um die
Gesundheit ihres Manns und die Traurigkeit darüber, einige schöne Momente nicht
mehr miteinander teilen zu können. Martina Hefter weist in ihrer Geschichte auf
fehlenden bezahlbaren städtischen Wohnraum hin, der die Pflege erleichtern
würde.
Die personale Erzählperspektive fokussiert durchgehend auf
Juno. Ihre Unterhaltung mit dem Loverboy hebt sich zentriert von dem im
Blocksatz gesetzten übrigen Text ab. Als Leserin konnte ich an den
Gedankengängen der Hauptfigur teilhaben und verstand dadurch ihre berechtigten Befürchtungen,
aber auch ihre Wünsche und Bedürfnisse.
Im Prolog ihres Buchs „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“ beschreibt Martina Hefter die Tattoos ihrer Protagonistin Juno. Sie sind verbunden mit der im Folgenden einfühlsam erzählten Geschichte eines erfüllten Lebens zwischen Besorgnis, Erfüllung und Hoffnung und gewähren einen Blick hinter den Schein der gesellschaftlichen Normen. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.