Es ist fast einhundert Jahre her, dass der Roman „Ex-Wife“
von Ursula Parrott zum ersten Mal veröffentlich wurde, jedoch kann man das beim
Lesen häufig vergessen, denn die Handlung wirkt häufig so, als könnte sie in
der Gegenwart spielen. Die Geschichte dreht sich um die 24-jährige Patricia, die
nach vier Jahren Ehe von ihrem Mann Peter verlassen wird.
Patricia ist eine lebenshungrige Frau, die nach der Hochzeit
ihrem Beruf als Werbetexterin weiter nachkommt. Dennoch ist ihr Wohnort New
York ein teures Pflaster und in der ersten Zeit der Ehe kann das Paar sich noch
nicht alle Dinge leisten, die sie sich wünschen. Glamouröse Kleidung,
Restaurantbesuche und reichlich Alkoholgenuss im Freundeskreis, den sie trotz
Verbots leicht beschaffen können, lassen keinen Platz für Sparpläne.
Nachdem Peter ihr einen Seitensprung gesteht, lässt Patricia
sich vom besten Freund ihres Ehemanns verführen. Sie gesteht ihm ebenfalls die
Affäre, jedoch ohne den Namen ihres Liebhabers zu nennen. In den folgenden
Wochen und Monaten schleicht sich ein Störgefühl in die Ehe, bis Peter die
Scheidung fordert, doch Patricia verweigert sie ihm über einen längeren
Zeitraum hinweg.
Der Roman wird in der Ich-Perspektive von Patricia erzählt.
Sie schildert ihr Leben nach der Scheidung, schaut aber auch zurück auf die
gemeinsamen Jahre. Bereits im Vorwort zur Neuauflage verweist Mareike Fallwickl
darauf, dass der erst seit wenigen Jahren mögliche Zugang zu Bildung zu einer
Doppelmoral führte. Weil Frauen nun im Beruf, auch nach der Heirat, eigenes
Geld verdienten, fiel es ihren Ehemännern leichter, sie zu verlassen. Die
Phasen, die die Protagonistin im Anschluss an die Trennung durchläuft, scheinen
allgemeingültig und heute noch zu gelten. Patricia sucht und findet Rat bei
einer Freundin, die sich nach eigener Einschätzung bereits auf der nächsten
Stufe nach ihrer Scheidung befindet.
Manchmal durchlebt Patricia die Tage und Nächte wie im Rausch, zu anderen Zeiten langweilt sie sich. Immer wieder erzählt sie von Frauen in ihrem Umfeld, die sich für eine klassische Rolle als Hausfrau und Mutter entscheiden, wodurch dann doch ein Unterschied zwischen der Handlungszeit zu heute spürbar wird. Die Protagonistin wurde mir, vor allem aufgrund ihres exzentrischen Auftretens, nicht sympathisch. Ihr Umgang in Bezug auf ihr Kind fand ich kaum begreifbar, aber das diesbezügliche Verhalten von Peter war empörend. Einige der Begebenheiten in der Geschichte basieren auf Erfahrungen der Autorin, wodurch ihre Schilderungen authentisch wirken.
Ich fand es sehr interessant, mit „Ex-Wife“ von Ursula
Parrott in die schillernde Welt der gehobenen Gesellschaft im New York der
1920er Jahre einzutauchen. Die Ansichten und Handlungen der Protagonistin als
unabhängige Frau sind auch heute noch aktuell. Gerne vergebe ich eine
Leseempfehlung.