Sonntag, 13. Oktober 2024

Rezension: Wohnverwandtschaften von Isabel Bogdan


Wohnverwandtschaften
Autorin: Isabel Bogdahn
Hardcover: 272 Seiten
Erschienen am 10. Oktober 2024
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
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Nach der Trennung von ihrem Freund sucht die Zahnärztin Constanze schnellstmöglich eine neue Bleibe in Hamburg und zieht in die WG von Anke, Murat und Jörg. Was als kurze Zwischenstation gedacht war, wird schnell zu ihrer neuen Heimat, denn sie harmoniert gut mit ihren Mitbewohner:innen. Anke ist eine arbeitslose Schauspielerin, die an einstige Erfolge schon länger nicht mehr anknüpfen kann, weil sie vermutlich aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters keine Rollen mehr erhält. Murat ist ein Genussmensch, der gern für die WG kocht und Zeit in seinem Garten verbringt. Jörg ist Ende 60 und der Eigentümer der Wohnung. Er plant, in Kürze mit seinem Bulli nach Georgien zu reisen. Doch dann wird er immer vergesslicher, was die WG vor einige Herausforderungen stellt und gleichzeitig noch enger zusammenschweißt.

Der Roman erstreckt sich über eine Zeitspanne von zwei Jahren und ist abwechselnd aus der Sicht der vier WG-Bewohner:innen geschildert. Dabei sind einige Kapitel aus der Perspektive des jeweiligen Charakters geschildert, bei anderen handelt es sich um Dialoge. So erhielt ich gute Einblicke sowohl in die Leben der einzelnen Personen als auch in ihr Miteinander in der WG. Auch wenn es hier und da mal Unstimmigkeiten gibt oder Eifersucht ins Spiel kommt, harmonieren die vier insgesamt doch sehr gut miteinander. Sie sind füreinander eine selbstgewählte Familie, weshalb ich den Titel „Wohnverwandtschaften“ sehr passend finde. Ich fand es schön, sie durch die Höhen und Tiefen des Alltags zu begleiten. Das Tempo ist dabei angenehm zügig, die Kapitel sind kurz und danach gibt es jeweils einen Zeitsprung von einer bis zu mehreren Wochen.

Jörgs Vergesslichkeit wird im Laufe der Monate immer schlimmer und bald müssen sich die anderen eingestehen, dass es sich hier um eine Krankheit handelt. Sie gehen sehr unterschiedlich damit um, doch für alle ist klar, dass sie ihn nicht im Stich lassen. Ich fand es interessant, wie das Thema unbezahlte Care-Arbeit hier behandelt wird. Beispielsweise übernimmt am Anfang Anke ungefragt den Großteil der Arbeit. Sie fühlt sich in besonderen Maße zuständig, da sie vorübergehend keine Miete zahlt. Erst in einer Aussprache reflektieren die Drei die Aufteilung der Aufgaben. Die meiste Zeit offenkundig abwesend ist Jörg Sohn, der sich irgendwann auch finanziell um das Thema Pflege kümmern muss, sich aber aus der Angelegenheit heraushält, solange die WG alles organisiert bekommt. Für mich ich „Wohnverwandtschaften“ ein emotionaler und warmherziger Roman über Freundschaft und Zusammenhalt, den ich sehr gerne weiterempfehle.

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