Rezension von Ingrid Eßer
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Der Trauerredner Franz Escher wartet in seiner Wiener Wohnung
auf den Elektriker, denn eine Steckdose in der Küche hat einen Wackelkontakt. In
der Jetztzeit greift er zu seinem bereits begonnenen Buch, um das Warten mit
Lesen zu überbrücken. Seit längerer Zeit nimmt er nur noch Geschichten zur
Hand, in denen das organisierte Verbrechen agiert. Im aktuellen Roman sitzt der
22-jährige Protagonist Elio Russo im Jahr 2002 in Südkalabrien in einer
Hochsicherheitszelle. Er wird bald ein neues Leben in einem
Zeugenschutzprogramm beginnen. Es wird ihn über die Schweiz nach Duisburg und zu
weiteren Städten führen. Von seinem Zellengenossen hat er ein Buch geschenkt
bekommen, mit dem er sich die Zeit vertreibt. Es handelt von einer Person, die
Escher heißt und auf den Elektriker wartet.
Wolf Haas hat mit „Wackelkontakt“ einen Roman geschrieben, der
dem Titel alle Ehre macht. Die Geschichte bewegt sich auf zwei Erzählebenen ohne
sichtbare Abgrenzungen hin und her. Sobald eine der Figuren zum Buch greift,
wechselt das Szenario. Die Übergänge sind fließend, jedoch mit Cliffhangern. Mitunter
erfolgen sie unerwartet und rasch. Die Benennung des Protagonisten Escher
erfolgte mit Bezug auf den gleichnamigen niederländischen Künstler, der in
seinen Bildern mit Perspektiven spielt. Bekannt wurde er beispielsweise für die
Darstellung einer endlosen Treppe. Ähnlich kann sich der Lesende die Fiktion
des Autors vorstellen.
Von Beginn an wird eine hintergründige Spannung in beiden Handlungssträngen
aufgebaut. Einerseits durch ein Fehlverhalten, andererseits durch
Familiengeheimnisse. Als Leserin hat mich die Erzählung fasziniert, sodass es
mir schwerfiel, das Buch aus der Hand zu legen. Es untergliedert sich in die
beiden Teile „Off“ und „On“. Der zweite Part beginnt, als eine Heimlichkeit aufgedeckt
wird. Der Autor bedient sich einiger amüsanter Sprachspielereien. Escher ist einfühlsam,
lebt aber recht zurückgezogen. Überlegungen beider Protagonisten zu ihrem
früheren oder aktuellen Verhalten zu Familienangehörigen und ArbeitskollegInnen
stimmen nachdenklich. Schuldgefühle wollen bewältigt werden. Es wirft sich die
Frage auf, ob Fehlverhalten wieder gutzumachen ist.
In seinem Roman „Wackelkontakt“ spielt Wolf Haas mit
erzählerischen Perspektiven und schafft dadurch ein einmaliges Werk. Er verwebt
das Geschehen rund um zwei interessant gestalteten Protagonisten durch die
Sollbruchstelle des Lesens. Einige unerwartete Wendungen sorgen für einen
Lesesog, der zu einem Ende führt, das Fragen klärt und für einen überraschenden
Abschluss sorgt. Sehr gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.