Rezension von Ingrid Eßer
Titel Der große Riss
Autorin: Cristina Henríquez
Erscheinungsdatum: 18.02.2025
Verlag: Hanser (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband)
ISBN: 9783446282513
Der Roman „Der große Riss“ von der US-Amerikanerin Cristina
Henriquez basiert auf dem Bau des Panamakanals als Hintergrundthema. Mit dem
Titel wird aber nicht die Tatsache angesprochen, dass die künstliche
Wasserstraße das Land förmlich zweigeteilt hat. Vielmehr ist hiermit die
Spaltung der Gesellschaft in Hinsicht auf Status, Hautfarbe, Sprache und
Geschlecht während des Baus am Kanal gemeint. Die Autorin hat dazu einige
Figuren geschaffen, die sie geschickt zueinander in Verbindung bringt, um die
gesellschaftlichen Verhältnisse zur damaligen Zeit zu verdeutlichen.
Francisco ist ein älterer Fischer, der seinen Beruf aus
Überzeugung ausübt und mit seinem erwachsenen Sohn Omar an der pazifischen
Küste lebt. Omar hat entschieden, sich als Arbeiter am Kanalbau zu beteiligen,
was bei seinem Vater auf Unverständnis stößt. Die 16-jährige Ada aus Barbados
hat ohne das Wissen ihrer Mutter Lucille ein Postschiff an die Atlantikküste
bestiegen. In Panama möchte sie sich eine Arbeit suchen, um genügend Geld für
eine dringend benötigte Operation ihrer Schwester Millicent zu verdienen.
Eine Weile vor Ada sind bereits John und Marian Oswald aus
Tennessee in Panama eingetroffen. Während John einem Ruf als Erforscher der
Malaria gefolgt ist, hatte die studierte Botanikerin Marian während ihrer Ehe nie
die Möglichkeit in ihrem Beruf zu arbeiten. Das ändert sich auch in der neuen
Heimat nicht. Die Frau des Fischhändlers Joaquín, an den Francisco seine Ware
liefert, stammt aus der Stadt Gatún, das dem Kanal weichen und ans gegenüberliegende
Ufer umgesiedelt werden soll. An der Seite seiner Frau versucht er die
Öffentlichkeit auf die Sorgen der Einwohner aufmerksam zu machen.
Die Protagonistinnen und Protagonisten erleben Freud und
Leid in teils parallel ablaufenden Handlungen, die mit Ausnahme des Epilogs im
Jahr 1907 spielen. Die Autorin bringt zum Ausdruck, dass Francisco frei in
seiner Tätigkeit als Fischer ist, wohingegen sich Omar den Ansprüchen eines
Vorarbeiter in Bezug auf die Arbeitsleistung zu beugen hat. Allein aufgrund der
Nuancen der Hautfarbe wird die Arbeiterschaft in diejenigen aufgesplittet, die
in Silber oder in Gold entlohnt werden. In den Geschäften sind entsprechende
Bereiche abgetrennt und auch bei der medizinischen Versorgung gibt es eine
entsprechende Aufteilung.
Anhand von Marian stellt die Cristina Henriquez die typische
Rolle einer Frau in der gehobenen Gesellschaft dar. Dahingegen hat die
gewerbslose Frau des Fischhändlers einen größeren Handlungsspielraum, wobei
dieser durch die große Zuneigung ihres Ehemanns nicht nur geduldet, sondern
auch unterstützt wird. Die Geschichte erzählt wenig vom Fortschritt der
Arbeiten am Kanal. Stattdessen erweitert die Autorin die auf wenigen Monaten
basierende Handlung durch die Erzählung der Schicksale ihrer Figuren, bei denen
sie über Landesgrenzen hinweg auf deren Vergangenheit schaut.
Cristina Henriquez erzählt in ihrem Roman „Der große Riss“,
in dem es gefühlt ständig regnet, von den Menschen, die auf verschiedene Weise
durch den Bau des Panamakanals betroffen waren. Anhand der Charaktere spiegelt
sie Licht und Schatten des gesellschaftlichen Klimas wider, zeigt aber ebenso
ein Stück des Alltags der Personen mit Höhen und Tiefen. Gerne empfehle ich das
Buch weiter.