Dienstag, 11. Februar 2025

Rezension: Nacht der Ruinen von Cay Rademacher

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Nacht der Ruinen
Autor: Cay Rademacher
Erscheinungsdatum: 11.02.2025
Verlag: Dumont (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783755800347
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Der Prolog im Kriminalroman „Nacht der Ruinen“ von Cay Rademacher führte mich als Leserin in den Juli des Jahres 1938. Die beiden 17-jährigen jüdischen Freunde Joseph und Jakub treffen sich auf der Domterasse in Köln mit der gleichaltrigen Waise Hilde, die von beiden umschwärmt wird. Unvermeidlich bringt sie ihren jüngeren Bruder Paul mit. Die Anfeindungen gegen die jüdische Bevölkerung sind für die zwei Freunde bereits deutlich spürbar.

Am 2. März 1945 erlebt Köln einen letzten schweren Bombenangriff, der die Stadt großflächig in Trümmer legt. Die Geschichte beginnt mit einer ausführlichen Schilderung des Flugs einer in England gestarteten B-17. Dem amerikanischen Piloten Rohrer gelingt nach einem Treffer der Maschine durch die deutsche Flakabwehr der Ausstieg. Mit dem Fallschirm landet er mitten in einer Kölner Kirche und wird dort durch einen Kopfschuss getötet. Einige Stunden später erhält Joseph, der inzwischen als US-Soldat unter dem Namen Joe dient, den Auftrag, den Mordfall aufzuklären. Gleichzeitig hofft er darauf, seine Jugendfreunde Jakub und Hilda wiederzufinden. Doch das strikte Fraternisierungsverbots der US-Armee zwingt ihn, private Kontakte zu Zivilisten zu vermeiden.

Cay Rademacher gelingt es eindrucksvoll, die bedrückende Atmosphäre der Tage zwischen dem 2. Und 19. März 1945 einzufangen. Köln ist eine Trümmerlandschaft, viele sind obdachlos. Während hochrangige NS-Parteimitglieder längst auf die linke Rheinseite geflohen sind, von der aus die rechte immer noch verteidigt wird. Dank einer umfangreichen Recherche beschreibt der Autor Joes Wege durch die Stadt und die noch erhaltenen Gebäude mit großer Detailtreue, so dass das Geschehen gut vorstellbar ist.

Die Aufklärung des Mordes an dem Piloten Rohrer ist kleinteilig und bleibt durch einige geschickte Wendungen bis zum Ende spannend. Der Autor zeigt die Unsicherheit vieler Kölnerinnen und Kölner als Besiegte, die nicht wissen, wie sie sich gegenüber den Besatzern verhalten sollen. Dennoch gibt es genügend Bürgerinnen und Bürger, die einfach weitermachen und sich selbstbewusst behaupten. Das Taktieren derjenigen, die die Fäden ziehen, machen Joe seine Arbeit nicht leichter. Durch seine frühere Freundschaft mit Jakub fließt auch ein Teil der Geschichte der Kölner Juden in den Roman ein.

Neben fiktiven Figuren sind in den wenigen Tagen, in denen die Geschichte spielt, einige bekannte Persönlichkeiten in der Stadt am Rhein unterwegs, was historisch verbürgt ist. Im Nachwort erklärt der Autor, welche Teile des Romans auf wahren Begebenheiten beruhen und welche er fiktionalisiert hat. Zudem verweist er auf weiterführende Literatur für diejenigen, die sich intensiver mit den geschilderten Ereignissen auseinandersetzen möchten.

In seinem Kriminalroman „Nacht der Ruinen“ lässt Cay Rademacher eine in der Belletristik kaum beschriebene Episode der Historie lebendig werden. Er zeigt ein realistisches Bild der zerstörten Stadt und des Interagierens der US-Besatzer mit der Zivilbevölkerung. Die Ermittlungen rund um den Mord an einem alliierten Soldaten erweisen sich für den Protagonisten Joe als schwierig, doch sie führen ihn gleichzeitig auf die Spur seiner Jugendfreunde. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung für diese bewegende Geschichte.


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