Autorin: Antje Rávik Strubel
Hardcover: 240 Seiten
Erschienen am 12. März 2025
Verlag: S. FISCHER
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Hella Karl arbeitet seit zwölf Jahren in Berlin für die
Abendpost, davon sieben als Leiterin des Feuilletons. Als sie die Nachricht
erreicht, dass sich der Theaterintendant Kai Hochwerth in Sydney während eines
Opernauftritts seiner Frau hinter den Kulissen das Leben genommen hat, ist sie
nicht sonderlich erschüttert, fand sie ihn doch alles andere als sympathisch. Sie
verfasst einen Nachruf und betrachtet das Thema als journalistisch verarbeitet.
Doch dann werden Stimmen laut, die behaupten, dass Hella eine Mitschuld an
seinem Tod trägt: Sie ist es, die vor einiger Zeit den Artikel „Intendant
treibt Schauspielerin zur Abtreibung“ verfasst hat, was dazu geführt hat, dass
Hochwerth zur Kündigung gedrängt wurde. In einem auf den Suizid folgenden
Interview macht Hella keine gute Figur. Während sie versucht, sich nicht aus
der Ruhe bringen zu lassen und nicht glaubt, etwas falsches getan zu haben,
muss sie feststellen, dass nun sie es ist, die gecancelt werden soll.
Zu Beginn des Romans erfährt Hella vom Suizid Hochwerths in Sydney. Sie
rekapituliert die erste unangenehme Begegnung mit ihm bei einer Theaterpremiere
kurz nach ihrem Amtsantritt als Feuilletonchefin. Die berufliche Beziehung der
beiden hatte ihre Höhen und Tiefen, doch sonderlich sympathisch ist er Hella
nie geworden. Dabei sagt sie in der Selbstreflektion, dass sie sich oft Männern
näher fühlt als Frauen. Im Rahmen der #MeToo-Debatte hat sie Männern eine
Plattform zur Gegendarstellung gegeben und sich in Funk und Fernsehen gegen den
Trend des Verurteilens und Cancelns ausgesprochen. Nun soll ihr ausgerechnet ein
Artikel, in dem sie Hochwerth Machtmissbrauch vorwirft, weil er zu einer
Schauspielerin „Sieh zu, dass du das wegmachen lässt“ gesagt hat, zum
Verhängnis werden.
Der Roman ist gänzlich aus der Perspektive von Hella geschrieben. Sie gibt sich
nüchtern und distanziert, nichts scheint sie aus der Ruhe bringen zu können. Erst
als der Sturm, der sich allmählich zusammenbraut, nicht nachlässt, und auch ihr
Privatleben aus dem Takt gerät, beginnt sie, ihre Entscheidungen stärker zu
reflektieren. War es richtig, sich bei den Vorwürfen gegen Hochwerth auf die
Seite der Schauspielerin zu stellen und die Anschuldigungen als Erste mit solch
einem reißerischen Artikel zu veröffentlichen? Oder ist sie tatsächlich zu weit
gegangen? Darüber geriet auch ich als Leserin ins Grübeln. Auf den letzten
Seiten gibt es schließlich überraschende Entwicklungen, welche mir nochmals neuen
Stoff zum Nachdenken gaben und die Lektüre nachhallen lassen. Für mich ist „Der
Einfluss der Fasane“ ein gelungener Roman zur Cancel Culture und ihren
Konsequenzen, bei dem die Anklägerin zur Angeklagten wird.